Es heißt „Grüße“, nicht „Grüsse“. So hat’s vor der Rechtschreibreform geheißen, so heißt’s nach der Rechtschreibreform. Wer nicht glaubt, soll im Duden nachschauen. Die Redakteure schreiben die Lexika nicht aus Spaß, also kann man ab und zu mal reinschauen (Bertelsmann ist auch sehr gut).
Wenn man es nämlich mit „ss“ schreibt, wird es kurz ausgesprochen. Wie sich das anhört, kann ich nicht vormachen, weil wir schreiben statt zu reden, und ich auf die Schnelle nicht weiß, wie man Audiodateien in die Website einfügt. Aber versuchen Sie es einfach und sagen Sie es gaaaanz kurz und gaaaanz schnell (so wie „Masse“). Klingt albern. Und liest sich auch so.
Keine Ahnung, woher dieser Irrtum stammt. Vielleicht waren die Leute nach der Reform der Reform der Reform einfach verunsichert und jemand hat das Gerücht der neuen Schreibweise in die Welt gesetzt. Also haben sie es aufgegriffen, um ja alles richtig zu machen. Und dabei alles falsch gemacht. Andere haben es nachgemacht und andere andere auch. Und nachdem die Mehrheit gern der Mehrheit folgt, waren es bald recht viele, die einander fortan nur noch grüssten statt zu grüßen.
Zusätzlich kommt die Internationalisierung hinzu. Viele Firmen sind heute international tätig und im Ausland gibt’s das „ß“ nicht. Deshalb schreiben sie auch (nicht immer, aber immer öfter) bei der Adresse statt „Straße“ (richtig!) „Strasse“ (falsch!). Sieht zwar seltsam aus, hat aber zumindest eine Berechtigung. Bevor die nämlich dem französischen Marketingleiter in Italien, der sich dort eine Kampagne für das amerikanische Tochterunternehmen eines japanischen Konzerns ausdenkt, die im nächsten Quartal in Polen anläuft, und der kein Deutsch spricht, erklärt, was dieses seltsame Ding von „ß“ eigentlich sein soll, schreibt man es eben so. Auch diese Irrtümlichkeit hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet und vermutlich auf die „Grüsse“ bzw. umgekehrt abgefärbt.
Dabei hat es weder der Installateur um die Ecke noch der Eisverkäufer am Hauptplatz nötig, bei der Adresse auf der Visitenkarte „Strasse“ hinzukritzeln oder jemandem in Österreich eine E-Mail mit besten „Grüssen“ zu schicken. Es sei denn, sie wurden bereits globalisiert. Glücklich, wer da in einer „Gasse“ haust ...
Letztlich haben wohl die Schweizer beim scharfen S mehr drauf, weil sie davon nichts im Alphabet drin haben. Doch für alle restlichen Deutsch-Sprechenden und -Schreibenden gilt ...
Das „ß“ wird nur in zwei Fällen scharf geschrieben (also statt dem „ss“): Wenn vorher ein langer Vokal kommt (wie a, e, i, o, u, nur halt eben lang ausgeprochen) und wenn vorher ein Diphthong steht (ein Zwielaut, also ein Doppellaut aus zwei verschiedenen Vokalen wie ei, au, äu, eu, ai usw.). Sonst nicht.
In diesem Sinne, liebe Grüße!